Neoliberalismus – Spontane Reaktion

Was bisher geschah: Ein* Autor*in der Kulturellenpraxis zieht mietpreisbedingt in eine Gegend, in der hen problemlos als Gentrifizierer*in gelten kann (alle die dieses Wort kennen sind es) und postet einen Spruch, der sich leicht als „neoliberales Credo“ verstehen ließe. Es folgt eine Verteidigung der eigenen Neoliberalei:

„Selbst mit großen Idealen muß man Miete zahlen, Junge: Profi kommt von Profit / In dieser Welt braucht auch der Gute Geld stellt man irgendwann dann fest“

Joint Venture

Will sagen, das mit dem Neoliberalismus ist tückisch; so widersprüchlich seine Anrufungen sind – einmal ganz davon abgesehen, daß rein logisch ohnehin alles aus einem Widerspruch folgerbar ist -, wäre es bei einfachen/partiellen Negationen wie bei Hase & Igel.1 Sehen wir mal von Selbstzerstörung2 ab, ist es kompliziert – Dekonstruktion, Digga! -, da sich ohne Weiteres kein Außerhalb finden läßt; und ich langsam zu alt werde, auf den Kommunismus zu warten.

Nun wäre die Standardantwort: Die Anforderungen nicht positiv verinnerlichen und sich nur soweit anpassen wie nötig um irgendwie durchs Leben zu kommen, bloß nicht überaffirmieren. Ist der materielle „Sachzwang“ doch häufig lediglich Vorwand, zurück in die Klasse zu kehren. Nebenher läßt sich natürlich ein wenig an der besseren Gesellschaft(tm) arbeiten. Die neuen Selbsttechniken/Tätigkeitsformen „Projekt“ („ich hab‘ da noch ein hippes Nebenprojekt zur Kapitalverhältnisaufhebung laufen“) oder „To-Do Liste“ („Lohnarbeit, Reproduktionsarbeit, Selbstoptimierungsarbeit, Konsumptionsarbeit, Kritikarbeit, ???, Profit) bieten sich da an. Und zur Not läßt sich immernoch bei ökonomischem Erfolg im Biosupermarkt einkaufen.

Doch der Neoliberalismus ist bereits Antwort auf ein Problem: Knapper und prekärere werdende Ressourcen – Arbeitsplatz, Wohnraum fielen mir gerade ein. Was sagt ein* Geisteswissenschaftler*in ohne Job zu eine* mit: „Einmal Pommes-Schranke“. Worauf die Standardreaktion – do it to Julia – ist, nicht d* von den Hunden gebissene Letzte sein zu wollen. Schramm im – mittlerweile aus dem Netz entfernten (daher frei zitierten) – Programm „Mephistos Faust“ dazu: „Beschwert Euch nicht, daß Ihr keinen Job habt, Euer Nachbar hat einen Job, Ihr müßt nur dafür sorgen, daß es umgekehrt ist“. Eine Überaffirmation gilt als nicht möglich, führt die Konkurrenz – wie im Krieg – doch zum Äußersten. Zur bereits bekannten charakterlichen Zurichtung durch Lohnarbeit – ohne diese herunterzuspielen, es wäre ja furchtbar, wenn so viele Menschen von Natur aus so furchtbar wären – scheint sich ein (scheinbar) zweckrationales Kalkül und eine ständige Getriebenheit zu gesellen. Stalinismus- (oder war es Stockholm-)Syndrom: Auf Angst wird häufig mit Anpassung reagiert, selbst wenn diese gar nicht hilft. Außerdem diese Anpassung uns als Möglichkeit zur Indiviudalität verkauft wird. Zu dem Preis alles – bis hin zu Freizeitaktivitäten und Freundschaften – der marktförmig gedachten Rationalität unterwerfen zu müssen. Naja, zumindest meine Karriere könnte auch noch glücken, würde diese* Blog als Dissertation anerkannt …

Die Serie La Femme Nikita greift das Dilemma recht schön auf: Eine (im Gegensatz zum Originalfilm unschuldige) Unterschichtlicherin wird wegen Mordes verurteilt und aus dem Gefängnis von einer Geheimdienstinstitution rekrutiert. In dieser herrschen neoliberale Sitten: Wenn jemand nicht den Regeln dieser – ständig lidlnden und ständig testenden – Institution folgt, wird die Existenzgrundlage entzogen (hier im wörtlichen Sinne), erst recht wer sich dem ganzen fliehend zu entziehen versucht und auch, wer die Leistungsanforderungen nicht erbringt. Führende Vertreter* betonen häufiger, daß das große ganze dieser Arbeit ja Gutes bringe. Zumindest einige der Hauptfiguren versuchen trotz mitmachens bei moralisch zweifelhaften Sachen irgendwie „anständig zu bleiben“(tm).


(1) Bröckling, Ulrich: Das unternehmerische Selbst und seine Geschlechter : Gender-Konstruktionen in Erfolgsratgebern; in: Leviathan 30 (2002), Bd.2; S. 175–194, S. 192; online verfügbar.

(2) „Self-improvement is masturbation. Now, self-destruction …“ —Tyler Durden, vgl. das Buch: „Maybe self-improvement isn’t the answer, maybe self-destruction is the answer.“

1 Responses to Neoliberalismus – Spontane Reaktion

  1. Odradek sagt:

    Sowohl diesen Artikel, als auch einige Gouvernementality-Fans betrachtend frage ich mich, hat diese Untersuchung des Neoliberalismus-Begriffs nicht doch etwas Affirmatives? Vor der Komplexität des Problems, der Suggestivität der untersuchten Anrufungen, der Unmöglichkeit einfacher Negation oder der eigenen Privilegierung kapitulieren? Zumal wenn es in diesem Bereich Stellen gibt. Die Leute die die Konkurrenz untersuchen sind sicherlich keine angenehmeren Wettberwerber*innen …

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