Cutenessrevolution anderswo #10 Cat’s Café

18. März 2023

Auch wenn Katzencafés schöne Orte sein können, hier geht es um einen Webcomic. Der irgendwie emotionale Kernpunkte der Plüschtierstudies auszudrücken vermag [Beispiel].

Plüscheinhorn mit Nase auf Kissen schaut traurig in die Ferne.

Die Punkprinzessin und ich hassen ja eigentlich Positivdenken – noch schlimmer als positivistisch denken -, aber trotz teils äußerst optimistischer Inhalte hat hat dieser Comic etwas, das in eine vollkommen andere andere Richtung geht. Wieso?

Hypothese: In gebräuchlichem Positivdenken liegt eine harte Normativität, Subjekte sind zu diesem Mindset verpflichtet, sowohl für das eigene Wohlergehen als auch den sonst ausbleibenden Erfolg – was damit auf das Individuum abgeladen wird. Auf die Denkfigur der „self forfilling prophecy“ fixiert – und nicht etwa experimente in denen die Wahrnehmung von Depressiven näher an der Faktenlage ist als bei gesunden – aufbauend wird eine Ontologie der an sich schönen Welt vorgeschrieben.

My little Pony Meme: "Stop smiling, life isn't beautiful" https://knowyourmeme.com/photos/526000-my-little-pony-friendship-is-magic

Dieser Webcomic vertritt einen anderen Ansatz. Der Autor schreibt über den fiktiven Ort, „It’s a place […] where you can feel safe to be yourself.“1, was erstaunlich nahe an Teddy, dem alten Meckeropa ist: „den besseren Zustand [..] denken als den, in dem man ohne Angst verschieden sein kann.“2

Cat’s Café schreibt uns keine Sicht der Dinge vor, bereits der Stil gibt zu, daß die Sichtweise manchmal gewollt naiv ist; ohne dabei Abstriche in der Tiefe zu machen. Hier kommen Themen wie psychische Erkrankungen vor, d.h. im Gegensatz zum Positivdenken ist dies Cutenesscontent von und für Personen die in den Abgrund geschaut haben. Sozusagen Cuteness jenseits des Abgrunds.

Kroko bei einer Tasse Kaffee schaut aus dem Fenster

Ohne Vorschrift wie die Welt ist, bleibt es die Kontingenzen zu suchen, sie doch manchmal ein wenig gestalten zu können – im inneren wie äußeren. Fantasie ist erforderlich! Position der Plüschtierstudies wäre, die Fantasie so ernst nehmen, daß Wünsche nicht mit Wahrnehmung verwechselt werden müssen.

Plüschtiere an die Macht!


1 Selbstbeschreibung auf o.g. Seite stets am unteren Rand.

2 Adorno, Theodor W.: Minima Moralia : Reflexionen aus dem beschädigten Leben; Frankfurt/M 1951; S. 67.


(R)Evolution und Punk

16. Oktober 2012

Wenn der Iro und lange Haare szenefähig werden und Hosen mit Löchern oder Schlag über den Catwalk laufen (wenn also Dissidenz als Differenz sich verkauft?1).

Wenn Indepentmusiker*Innen ihre eigenen Labels gründen, Selbstmanagementliteratur lesen und sich ganz „authentisch“ (weil nicht „musikindustriell korrumpiert“) vermarkten.

Wenn bekannte „Punk-Musiker“ die Nationalhymne bei der Reason Rally 2012 performen, Bücher mit Titel Anarchy Evolution und Population Wars herausbringen und derartige Statements von sich geben:

„Weißt du, ich glaube, der Grund dafür, dass die Dinge sich so entwickelt haben […] liegt daran. dass da irgendwas in unserem Lebensraum ist, das in den Menschen eine Sehnsucht erzeugt hat, einen Refrain und eine Strophe zu hören. Diese Formen, die sich entwickelt haben, konnten entstehen, weil sie anpassungsfähig waren. Sie bedienten eine bestimmte Funktion in unserer biologischen Natur. Warum sollte man also Menschen aus ihrer eigenen biologischen Natur aufwecken, wenn diese Natur es ist, die sie zufrieden macht?“2

Darf ich am (Konzept) „Punk“ zweifeln?

Darf ich der Kulturindustrie gratulieren?

Darf ich dem Kreativitätsdispositiv (der Künstlerkritik) die Hand schütteln?


1 vgl. den Klassiker hierzu: Holert, Tom & Terkessidis, Mark (Hg.): Mainstream der Minderheiten. Pop in der Kontrollgesellschaft.
Berlin: Edition ID Archiv, 1996.
2 S.107 in: Uschmann, Oliver: Bad Religion und die Dialektik der Aufklärung. S.103-108 in: Testcard#12: Linke Mythen. Büsser, Martin; Behrens, Roger; Plesch, Tine & Ullmaier, Johannes (Hg.), Mainz: Ventil, 2003.


Die Kulturelle Praxis Teil I

24. September 2010

DER NÄCHSTE BITTE…

Patient tritt ein, setzt sich.
Arzt: Schönen guten Tag und Willkommen in der kulturellen Praxis, was fehlt Ihnen denn?
Patient: Mir fehlt’s an Kultur, jedenfalls bekomme ich das von allen Seiten meines Umfelds zu spüren.
Arzt: Haben Sie es mal mit Bildung versucht?
Patient: Jo! Das hab ich zur Schulzeit viel genommen aber es hat nicht gewirkt.
Arzt: Hmmm…ahja, working class: dann versuchen wir es doch mal mit Subkultur. Was machen Sie beruflich?
Patient: Im Moment bin ich erwerbslos!
Arzt: Aha, verstehe… dann verschreibe ich Ihnen folgendes Mittel. (kritzelt auf Papier)
Patient: Was ist das?
Arzt: Ist ein Haarfärbemittel. Ich verordne Ihnen zwei Wochen Punk, wenn’s danach noch nicht besser ist, kommen Sie nochmal wieder.
Patient: Jo! Ich werd’s versuchen, muss ich irgendetwas besonderes beachten?
Arzt: Nein, eigentlich müssen Sie gar nichts tun. Denken Sie aber daran, immer viel zu trinken.
Patient: Jo, vielen Dank Herr Doktor Hebdige.
Arzt: Nichts für ungut….

DER NÄCHSTE BITTE…

Patient tritt ein, setzt sich.
Arzt: Schönen guten Tag und Willkommen in der kulturellen Praxis, wo drückt der Schuh?
Patient: Ehrlich gesagt sind’s nicht meine Schuhe, sondern meine Motorradstiefel, außerdem lastet ein unglaublicher Druck auf meinen Schultern…
Arzt: Sie haben psychischen Stress?
Patient: Ähh, nein, meine Lederjacke ist ganz einfach zu schwer.
Arzt: Jaja, genau darauf wollte ich hinaus. Wissen Sie, rein technisch gesehen, ist Ihre Lederjacke nur das Symptom oder das Zeichen eines verkehrten Lebenswandels. Mein Rat als Medizinier: Sie sollten aufhören.
Patient: Aufhören? Womit?
Arzt: Geben Sie das Rocker-Rowdytum auf. Dieses achtstündige Umherfahren und Leuteaufmischen bekommt Ihnen nicht gut. Sie sollten dem Gruppendruck standhalten und in den entscheidenden Momenten einfach mal ‚Nein‘ zur Lederjacke sagen. Ganz egal, was Ihre Freunde tun und machen.
Patient: Aber irgendwie muss ich das doch kompensieren? Ich meine… einfach so, von heute auf morgen Schluss mit Allem? Das packe ich nicht.
Arzt: Deshalb schlage ich Ihnen zur Entwöhnung eine Mod-Therapie vor: Statt ihrer schweren Lederjacke tragen Sie einen leichten Parka, ihren Chopper tauschen sie gegen eine Vespa und… machen Sie Schluss mit Bill Haley, hören Sie The Who. (Kritzelt auf ein Papier) Hier ist noch ein Rezept für Drinamyl, bekommen Sie eigentlich in jedem guten Club. Fragen Sie einfach nach Purple Hearts.
Patient: Also gut. Ich werd’s versuchen. Vielen Dank Herr Doktor Willis.
Arzt: Nichts für ungut…

Das Telefon klingelt…
Arzt (nimmt Hörer ab): Hallo kulturelle Praxis, Dr. Althusser am Apparat.
Am anderen Ende der Leitung: Hallo hier spricht der Diskurs.
Arzt: Ach! Schön mal wieder was von Ihnen zu hören. Man bekommt Sie ja nur selten mal zu fassen, manchmal kommt es einem so vor, als ob Sie gar nicht existierten.
Diskurs: Jaja! Das kommt schonmal vor, hehe… Nun ich rufe an wegen eines Problems, Herr Doktor.
Arzt: Schießen Sie los.
Diskurs: Seit gestern spüre ich meinen Körper nicht mehr, ich hab das Gefühl, einen Bruch oder eine gefährliche Transformation erlitten zu haben.
Arzt: Nun das ist durchaus mal normal: Ihr Körper ist ja schlicht immer auch das, was Sie aus ihm machen. Das heißt im Klartext: Wirken Sie auf ihn ein! Tun Sie alles was in Ihrer Macht steht!
Diskurs: Ich werd’s versuchen. Aber sollte ich das nicht doch noch einmal irgendwo checken lassen?
Arzt: Wenn es nicht besser wird, rufen Sie einfach nochmal an. Ich kann Sie an ein paar Expert*Innen vermitteln, die sich bestens mit sowas auskennen. Ich rate Ihnen aber davon ab, vorschnell eine ‚Kernspin‘ oder ähnliches zu machen. Die finden in der Regel sowieso nix bzw. sind auf solchen Aufnahmen viele maßgebliche Prozesse und Dinge des Körpers nicht zu erkennen.
Diskurs: Also gut Herr Doktor. Mache ich so.
Arzt: Jaja, das wird schon wieder.
Diskurs: Vielen Dank, Herr Doktor.
Arzt: Nichts für ungut… Diskurs, Sie wissen ja, ich bin Ihr Arzt und als solchen können Sie mich jederzeit anrufen.
Diskurs: Ähh… ja, ich weiß. Auf Wiederhör’n.
Diskurs legt auf (es rauscht im Hörer).
Arzt legt auf.